Besonderes verdient Besonderes

Geschichte des Ritterguts Kemmen

Die historisch gewachsene und bemerkenswert geschlossene Gutsanlage prägte über Jahrhunderte das wirtschaftliche Leben der Gemeinde Kemmen. Seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind die Besitzer des ehemaligen Rittergutes bekannt. Mit seinen älteren Teilen ist die Anlage nach der Dorfkirche zweifellos die älteste und damit siedlungsgeschichtlich bedeutsame Bebauung des Dorfes.

Die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts vorgenommene Erweiterung des Herrenhauses zeigt mit dem Mansarddach und dem Giebeldreieck traditionelle Bauformen, die dem barocken beziehungsweise Formengut entlehnt sind. Auch die Terrasse mit ihrer die Breite des Zwerchhauses aufnehmenden Form und dem Feldsteinsockel sind Zeugnis der in den 20er und 30er Jahren gerade im ländlichen Raum bevorzugten konservativen Architektur. Damit kommt der Gutsanlage auch baugeschichtliche Bedeutung zu. Familiengeschichtliches Zeugnis ist die Grabstätte für die Familie Kehrhahn, den letzten Besitzern des Gutes vor der Überführung in Volkseigentum. Wesentlich im Zusammenhang mit der Erweiterung ist das Wirken Paul Kehrhahns (1889 – 1967).

Historisches schwarz-weiß Bild vom Rittergut Kemmen

Wechselvolle Geschichte

Das Rittergut Kemmen hat eine wechselvolle Geschichte mit zahlreichen Besitzwechseln. Es gibt keinen Beleg für eine frühdeutsche Nutzung als Herrensitz.

Historisches schwarz-weiß Bild vom Rittergut Kemmen

Frühzeit: 1469 wurde Nickel von Buxdorf mit Kemmen belehnt. Hans von Buxdorf verkaufte es 1489 an die Familie von Wolfersdorf, die es bis 1603 besaß. Streitigkeiten zwischen der Familie von Wolfersdorf und den Untertanen in Kemmen über Bauverpflichtungen an der Kirche in Buckow sind dokumentiert.

Besitzwechsel: 1603 gelangte Kemmen an Joachim von Schütz, der es wegen finanzieller Schwierigkeiten 1609 an Rudolf von Drahnsdorf verkaufte. Nach dessen Tod fiel das Gut an den Landesherrn, wurde 1644 versteigert und ging an Georg Planck. Dieser investierte in die Kemmener Kirche. Nach weiteren Besitzwechseln wurde Dr. Georg Melchior Thilo 1659 Eigentümer, gefolgt von Georg Ernst von Muschwitz (1684). Um 1742 kam das Gut an Hieronymus Christoph von Gagern und blieb bis 1814 in der Familie.

19. und 20. Jahrhundert: 1843 übernahm Friedrich Wilhelm Otto von Normann das Gut, später war es im Besitz von Theodor Sack (1864–1910), der viel für die Gemeinde tat. 1921 wurde Ökonomierat Hermann Kehrhahn Besitzer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie Kehrhahn enteignet, und das Gut wurde in ein Volksgut umgewandelt.

Gutsstrukturen: Die Gebäude wurden teilweise von der Familie Sack und später von den Kehrhahns errichtet oder erweitert. Die Größe des Gutes betrug 1856 ca. 3.099 Morgen, reduzierte sich bis 1900 auf 418 Hektar.

Heute erinnert ein gepflegtes Erbbegräbnis im Park an die Familie Kehrhahn.

Die Gutsanlage

Das Herrenhaus

Historisches schwarz-weiß Bild vom Herrenhaus

Das Herrenhaus über vieleckigem Grundriss ist in der Tiefe des Wirtschaftshofes aufgeführt und bildet dessen nördlichen Raumabschluss.

Das Herrenhaus besteht aus einem älteren und einem jüngeren Teil. Der ältere Teil wurde um 1800 als eingeschossiger Fachwerkbau errichtet, der ursprünglich einen zentralen Eingang hatte, welcher später zu einem Erker umgestaltet wurde. Zugang erfolgt nun über einen seitlichen Anbau. Der Dachraum wird durch Fledermausgauben belichtet. Mauern verbinden diesen Teil mit den Flügelbauten des Wirtschaftshofes und weisen charakteristische Durchgänge und Öffnungen auf.

Der jüngere Teil stammt aus den 1920er Jahren und ist über einen Mitteltrakt mit dem älteren Teil verbunden. Dieser Ziegelbau besitzt einen hohen, verblendeten Sockel und wird durch ein zweigeschossiges Zwerchhaus mit Dreiecksgiebel geprägt. Eine Terrasse verbindet die Nord- und Ostseite, wobei eine frühere Loggia mit Dachterrasse geschlossen wurde. Beide Gebäudeteile werden durch unterschiedliche Dachformen abgeschlossen. Das Innere wurde mehrfach an die Bedürfnisse der wechselnden Nutzer angepasst.

Das Gärtnerhaus

Das Gärtnerhaus ist im rechten Winkel zum Herrenhaus auf der Ostseite des Wirtschaftshofes aufgeführt. Der eingeschossige massive Putzbau von fünf Achsen ist nicht unterkellert und mit einem Krüppelwalmdach abgeschlossen. Über den Eingang ist eine Fledermausgaube angeordnet. Hervorhebenswert sind die 0,55m betragende Wandstärke des Gebäudes und der liegende Dachstuhl mit verblatteten Hölzern. Der Dachraum, dessen nördlicher Giebel in Fachwerk ausgeführt ist, beherbergt eine Räucherkammer.

Die Scheune

In südlicher Verlängerung des Gärtnerhauses ist die langgestreckte Scheune aufgeführt, deren Südgiebel gemeinsam mit dem straßenbegleitenden Getreidespeicher in der Straßenfront eingebunden ist. Bis in Höhe der Tore besteht sie überwiegend aus Feldstein mit kleineren Ziegelanteilen. Über den Toren wird das Mischmauerwerk durch außen verputztes Ziegelmauerwerk abgelöst. Vermutlich wurde die Scheune mit einer Durchfahrt zum Nutzgarten hin in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erhöht, was auch das vergleichsweise flache Satteldach erklären würde.

Der Getreidespeicher

– Der Getreidespeicher ist im Ensemble nicht mehr vorhanden. –

Rechtwinklig und den Straßenverlauf markierend schließt sich an die Scheune der Getreidespeicher an. Ursprünglich wurde der etwa 30m x 12m große massive Bau als Pferdestall, Speicher und Brennerei genutzt. An letztere Nutzung erinnern nur noch die überkommenen Gewölbetonnen. Die westliche Schmalseite des Speichers besitzt zur Einfahrt in den Wirtschaftshof hin einen Krüppelwalm. Die Dachkonstruktion ist als doppelter stehender Stuhl mit Drempel und doppelter Kehlbalkenlage ausgebildet.

Der Kälberstall

Das Pendant zum Getreidespeicher bildet der Kälberstall mit den gleichen Abmessungen und gleichartiger baulicher Ausformung. Die beiden Baukörper markieren die Einfahrt zum Wirtschaftshof. Während der Speicher jedoch fast ausschließlich in Ziegelbauweise errichtet wurde, ist beim Kälberstall straßenseitig bis in Höhe der kleinen Rechteckfenster Feldsteinmauerwerk sichtbar. Bemerkenswert sind die verwendeten Ziegelformate von 29cm x 14cm x 7,5cm. Die Dachkonstruktion besteht aus einem jüngeren doppelt stehenden Stuhl.

Die Werkstatt

Nördlich des Kälberstalles, jedoch nicht mit diesem baulich verbunden, ist die eingeschossige Werkstatt über rechteckigem Grundriss mit abschließendem Satteldach aufgeführt. Obwohl erst in den 50er oder 60er Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet, nimmt das Gebäude die Proportionen anderer Baulichkeiten der Gutsanlage, hier insbesondere des Melkerhauses, auf und bildet mit diesem den westlichen Raumabschluss des Wirtschaftshofes.

Das Taubenhaus

Westlich des Melkerhauses und damit abseits des großen Wirtschaftshofes hat ein vorwiegend aus Feldsteinen errichteter Baukörper mit Krüppelwalmdach seinen Standort, der als Schweinestall / Taubenhaus genutzt wurde. Sämtliche Tür- und Fensteröffnungen sind stichbogig und besitzen eine schmückende Backsteinrahmung. Ebenso werden die Gebäudeecken betont. Auf der Ostseite sind unmittelbar unter der schützenden Traufe zahlreiche Schlupflöcher für die Tauben angeordnet.

Das Melkerhaus

In nördlicher Verlängerung der Werkstatt steht das eingeschossige Melkerhaus. Sein massiv in Mischmauerwerk ausgeführtes und an den Längsseiten verputztes Erdgeschoss hat eine stattliche Wandstärke von zirka 67cm und beherbergte im südlichen Teil die Melkergehilfen und im nördlichen Bereich den Melkermeister. Das südliche Dachgeschoss diente als Getreideboden, der nördliche Teil ist zu Wohnzwecken ausgebaut und besitzt neben Fachwerkwänden auch Lehmputzdecken. Dieser in Fachwerk ausgeführte Teil ist mit einem Krüppelwalm abgeschlossen. Erwähnenswert sind hier auch der gezogene Schornstein und der doppelt stehende Stuhl mit zweifacher Längsaussteifung.

Historische schwarz-weiß Luftaufnahme vom Rittergut Kemmen

Zusammengefasst aus:

Gutachtliche Äußerung zum Denkmalwert
Bezeichnung: Gutsanlage mit Herrenhaus, Wirtschaftsgebäuden (Gärtnerhaus, Melkerhaus, Scheune, Getreidespeicher,
Kälberstall, Schweinestall/Taubenhaus, Anordnung und Proportionen der Werkstatt), Hofpflasterung, Altbaumbestand
im Gutshof, umliegender Park- und Gartenlandschaft sowie Grabstätte
Berlin, 23.02.1996
Dr. Dieter Hübner / Alexander Niemann
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege
Brüderstraße 13, 10178 Berlin

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